Weisse Seele - Schwarzes Herz

Die Reihe »Nachtstück« beschäftigt sich mit Albträumen, die aus unserem Unterbewusstsein an die Oberfläche drängen. Teilweise durchzogen mit persönlichen Erlebnissen, teilweise aber auch mit Themen, die den meisten Betrachtern bekannt vorkommen dürften. Welche Attribute muss ein Albtraum mit sich bringen, um einer zu sein? Wann läuft uns ein Schauer über den Rücken und wann erkennen wir sogar Schönheit in ihm?

Albträume – unsere bildgewordenen Ängste.

Unsere Träume gleichen einem wirren Labyrinth voller Linien und Wege. Persönliche Erfahrungen und Ängste werden zu einem Bild zusammengefügt, lassen sich nun beinahe greifen. Der Träumende fühlt sich gefangen in einem Netz voller Eindrücke – verfolgt vom Nachtalb, dessen dunkle Gestalt schwer auf ihm lastet. Er ist es, der die Bilder in unseren Gedanken konstruiert.
 

Unter-Wasser-Traum.

Ich schwimme durch dunkle schillernde Gewässer. Fast unscheinbar reflektiert das Wasser die Regenbogenfarben des Mondlichts. Es ist warm und voller Kreaturen, die gesichtslos meinen Körper umstreifen.
 

Der gelbe Wald.

Warm scheint mir die Sonne ins Gesicht. Ungebrochen und ohne erkennbare Unterschiede umschliesst mich der Wald. Weiß erstrahlen die glatten Stämme. Sanft spiegeln sie das Gesicht des Helios wider. Akkurat aufgereiht ragen die Baumstämme kronenlos in den Himmel. Im starren Bild des Waldes bleibt keine Möglichkeit, eine Orientierung zu finden. Eine bedrohliche Wiederholung offenbart sich mir.
 

Pavor Nocturnus – die Nachtangst.

Verwinkelungen. Abzweigungen. Sackgassen. Ein Irrgarten voller Ängste. Und doch finden sich auch gleichbleibende Muster. Der Pavor Nocturnus, oder auch die Nachtangst, ist dem ein oder anderen schon einmal in der Kindheit begegnet. Voller Angst und Panik erwacht man schweissgebadet, ohne die innere Unruhe zuordnen zu können. Geplagt von furchteinflössenden Bildern scheinen die Träumenden gefangen in dieser nächtlichen Welt. Jeder Versuch zu fliehen, scheitert kläglich. Am Ende sind keine Bilder und Erinnerungen mehr greifbar. Zurück bleiben nur glühende, einsame Körper. Und Bruchstücke. 

«Als Künstlerin schaffe ich Träumen eine Realität.»

Ich meinen Werken rekonstruiere ich die Erinnerungsfetzen und halte sie in meiner gegenwärtigen Realität fest. Das Dunkle und Furchteinflössende wird in einen neuen harmlosen Zusammenhang gebracht. Die Bilder, die mir nach dem Erwachen erhalten bleiben, werden zu einem grossen Ganzen zusammengefügt. Dabei versuche ich Ursprung und Bedeutung zu verstehen. Warum existieren diese Bilder und welchen Zweck erfüllen sie?

In meinen Bildern begebe ich mich auf die Suche nach den Fundamenten, Ursachen und dem Sinn und Zweck unserer Träume. Ihre Existenz beeinflusst uns. Die Eigenschaften, die einen harmlosen Traum zu einem Albtraum werden lassen, sind subjektiv. Sie hängen von persönlichen Erfahrungen und Ängsten ab. Ich gehe ganz bewusst auf Konfrontationskurs mit meinen persönlichen Ängsten. Der Albtraum wird zu einem neuen Bild geformt. Ein Bild, das weniger bedrohlich und umso heilender erscheint.

Wie entstehen diese Träume und Gedankenfetzen und woher kommen sie? 
 

»Wir sind Sammler von Eindrücken und Bildern, die unserem zukünftigen Leben eine Form geben.«
 

Die Bilder, die uns in unseren Träumen begegnen, sind nichts Fremdes, nichts Neues. Sie werden aus unserem riesigen Gedanken-Netzwerk herausgenommen und neu kombiniert. Erinnerungen werden in neue Zusammenhänge gebracht. Häufig tauchen Inhalte unseres episodischen Gedächtnisses auf. Dies sind Erinnerung, die oftmals nur schwer bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen sind. Das episodische Gedächtnis ermöglicht ein Abrufen von Situationen, die zu bestimmten Zeitpunkten gebildet wurden. Es schickt uns auf eine mentale Zeitreise von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft. Eine Erfahrung, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, ein bestimmtes Gefühl, das wir erlebt haben oder ein Geruch, der uns an etwas erinnert.

In meinen Collagen bekommen Bilder, Gedanken und Träume meiner Vergangenheit, dem Erlebten und dem noch Ungewissen einen Platz. Diese Gedanken sind in einer neuen Ordnung wiederzufinden. Gezogen aus verschiedenen Zeitperioden, für den Betrachter oft zusammenhangslos. Meine persönlichen Verknüpfungen von Tatsachen einer subjektiven und objektiven Welt.
 

Unser Gehirn schafft neue Bilder.

In meinen Arbeiten möchte ich zeigen, dass unser Gehirn ständig damit beschäftigt ist, unsere vergangenen Erfahrungen zu rekonstruieren. Dies führt dazu, dass das Erlebte nicht immer in den richtigen Zusammenhang des räumlichen und zeitlichen Entstehungsursprungs gebracht werden kann. Wir erschaffen eine Welt von Traumbildern, die es in der Realität so nicht gegeben hat. Dies zeigt, dass unser episodisches Gedächtnis keine exakte Reflektion unserer persönlichen Erfahrungen sein muss. Vielmehr ist es ein neues Konstrukt der Vergangenheit, welches in bestimmten Situationen durch Schlüsselreize getriggert wird.